The WanderingSoul's profile

Sterne, die wir sind (German Writing)

Sterne, die wir sind
[German Writing]
I Lost My Mind Long Ago (Forgotten Times)
Ein wenig Sternenstaub, was sonst könnte von all den Begegnungen bleiben, die am Ende doch keine waren.
[2021/05/01]

Ich habe mir die Menschen um mich herum immer wie die Sterne vorgestellt. Aus einem bestimmten Blickwinkel heraus scheinen wir uns nahe zu sein, doch sind wir in Wirklichkeit unendlich weit entfernt voneinander. Wenn wir aneinander vorübergehen, gleich ob auf Straßen, in Geschäften oder Straßenbahnen, liegen nicht selten weit mehr als wenige Zentimeter ganze Lichtjahre zwischen uns. Ist es nicht dasselbe mit unseren Worten, Gedanken und Gefühlen? All das, was vereinzelt und mühsam unser Innerstes verlässt, wandert, nicht anders als das Licht, auf tausenden Irrwegen im Nichts umher. Wir sehen einander, sprechen miteinander, aber es ist und bleibt doch immer ungewiss, ob wir uns damit tatsächlich erreichen. Zwischen uns, eine Distanz unbekannter Größe. Der Abstand zwischen dem, was wir meinen; und dem, was ein anderer vernehmen wird. Vielleicht ist all das nur eine Frage der Perspektive. Vielleicht wird aber auch das, was wir in Wahrheit sind, auf immer ungehört und unbeachtet verstummen. Und wenn wir einmal glauben uns zu berühren, berühren wir dabei nicht doch nur unsere Hüllen? Verglühen wir nicht vor uns selbst, und füreinander, gleich wie die Sterne? Nur die Zeit, die uns stetig immer weiter und weiter davonträgt. Ein wenig Sternenstaub, was sonst könnte von all den Begegnungen bleiben, die am Ende eines Lebens doch keine waren. Und auch wenn ich heute weiß, dass die Sterne selbst dann da sind, wenn wir sie nicht sehen können und es doch gerade die dunkelsten Nächte sind, in denen sie am Hellsten leuchten, ist’s mir doch, so als gäbe es an meinem Himmel keine Sterne mehr. Es kommt mir fast so vor, als hätte es gar nie welche darauf gegeben. Vielleicht, vielleicht habe ich auch eben deshalb aufgehört zu sprechen. Auf dass mir all die Worte, die zu nichts führen, die nichts sagen, die nichts bedeuten, nach und nach wieder entfallen. Ganz so, wie ich sie einst lernte – ohne so recht zu wissen, wieso ich das eigentlich tat. Vielleicht nehme ich es übel, dass man früher so viele Dinge zu mir sagte, nur nicht, dass ich einsam sein werde. Auf dass ich, wenn ich doch wenigstens gewusst hätte, was einmal sein wird, nicht all meine Träume begraben, sondern niemals hätte träumen müssen. Vielleicht hätte ich dann, fern jeder Menschlichkeit, allein und frei gehen können. Ich schweige, einzig und allein, weil ich wieder zu dem werden will, der ich ganz zu Beginn war. Nicht Mensch. Ich will ihn ablegen, diesen Schatten, der mich begleitet seit ich denken und fühlen kann und mir einst ungefragt auf meine Schultern aufgeladen worden war. Wenn ich könnte, ich würde jedes einzelne Wort, das mich und mein Inneres je verlassen hat, wieder einsammeln und ungeschehen machen. Auf dass Morgen nichts von mir bleibt, nicht einmal mein Name.

2021/05/23
Sterne, die wir sind (German Writing)
Published:

Sterne, die wir sind (German Writing)

Published: